KETO-ADPKD: Was bedeuten die Studiendaten?

Die Arbeiten im Zystennieren-Tiermodell von Thomas Weimbs Gruppe in Santa Barbara, welche 2019 zeigten, dass eine sogenannte ketogene Ernährung äußerst positive Effekte hatte, haben viel Aufmerksamkeit unter Nephrologen, Wissenschaftlern und Betroffenen erregt. Die Ernährungsumstellung hemmte sowohl das Zystenwachstum als auch den Verlust der Nierenfunktion, ein toller wissenschaftlicher Erfolg. Schnell wurde die Frage aufgeworfen: Sollten alle Zystennieren-Patienten nun eine ketogene Ernährung zu sich nehmen? Und was heißt das überhaupt? Aber Daten im Menschen bzw. aus klinischen Studien fehlten bislang. Diese sind – ähnlich wie bei der Zulassung von Arzneimitteln – jedoch zwingend notwendig, bevor medizinische Empfehlungen ausgesprochen werden können. Die KETO-ADPKD-Studie der Translationalen Nephrologie an der Uniklinik Köln hat sich diesem Thema gewidmet und wurde nun kürzlich im renommierten Journal Cell Reports Medicine veröffentlicht1. Bevor wir für den interessierten Leser tiefer auf die Details zu den Ergebnissen eingehen: Was bedeutet die Studie aus Sicht der Autoren für die Beantwortung der zentralen Fragen für die Betroffenen? Lassen Sie uns einmal versuchen, dies anhand dieser Fragen in wenigen Sätzen zu beantworten.

Ketogene Ernährung – was heißt das überhaupt?

Durch die ketogene Ernährung erfolgt eine Umstellung des Stoffwechsels, bei der als Stoffwechselprodukt Ketonkörper gebildet werden, daher der Name. Ganz kurzgefasst, um diese Stoffwechselanpassung zu erreichen, muss die Menge an Kohlenhydraten – also Zucker – deutlich reduziert und die Menge an Fett in der Nahrung stark erhöht werden. Hierzu werden u. a. klassisches Brot oder Süßspeisen vermieden und dafür z. B. mehr Olivenöl oder fettreicher Fisch konsumiert.

Ist eine ketogene Ernährung für ADPKD-Patienten im Alltag machbar?

Ernährungsumstellungen sind nicht immer einfach. Daher war dies eine wichtige Frage in der KETO-ADPKD-Studie. Gemessen wurde dies mit Fragebögen, außerdem wurden die Ketonkörper im Blut und in der Atemluft bestimmt. Quintessenz: Ja, über den untersuchten Zeitraum von drei Monaten war dies durchaus machbar. Allerdings mussten hierfür im Alltag teils schon auch Hürden überwunden werden, z. B. ist das Essen im Restaurant mit erhöhtem Planungsaufwand verbunden.

Waren in KETO-ADPKD Effekte auf das Nierenwachstum zu sehen?

Normalerweise wachsen Zystennieren kontinuierlich immer weiter. In der Kontrollgruppe, also bei den Teilnehmern, die sich wie gewohnt weiter ernährten, war dies bei KETO-ADPKD auch der Fall. Unter ketogener Ernährung hat das Nierenvolumen abgenommen. Dieser Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant, d. h. der Effekt könnte auch Zufall sein, sodass die Frage noch nicht klar beantwortet werden kann.

Was hat sich in KETO-ADPKD bzgl. der Nierenfunktion gezeigt?

Die Nierenfunktion nimmt bei Zystennieren im Verlauf der Zeit kontinuierlich ab. Dies zeigte sich auch in der Kontrollgruppe. Unter ketogener Ernährung nahm die Nierenfunktion im Verlauf der drei Monate hingegen zu. Dieses Ergebnis war statistisch signifikant, so dass wir von einem echten Effekt ausgehen. Ob dieser sich jedoch bei längerer Untersuchung (d. h. > drei Monate) wirklich positiv auf den Erkrankungsverlauf auswirkt, ist noch nicht geklärt.

Welche Nebenwirkungen sind aufgetreten?

Die einzige von Teilnehmern gehäuft berichtete Nebenwirkung waren Symptome der sogenannten Keto-Grippe. Hierbei handelt es sich um ein bekanntes Phänomen. In den ersten Tagen der Ernährungsumstellung kommt es häufiger auch bei nicht von ADPKD-Betroffenen zu einem Infekt ähnelnden Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Dieser Effekt geht nach wenigen Tagen von alleine vorbei. Außerdem zeigte sich bei manchen Patienten ein Anstieg des Cholesterinspiegels, also der Blutfettwerte. Ob dieser unter ketogener Ernährung negative Konsequenzen hat, ist bislang nicht geklärt. Um eine Aussage zu Nierensteinen zu treffen, welche in anderen Studien bei nicht von ADPKD-Betroffenen gehäuft aufgetreten waren, war die Behandlungsdauer bei KETO-ADPKD sicherlich noch zu kurz. Bezüglich beider Aspekte werden in zukünftigen Studien noch einmal über einen längeren Zeitraum fokussiert Daten erhoben werden müssen.

Sollten sich alle Zystennieren-Patienten nun ketogen ernähren?

Nein. Die Ergebnisse aus KETO-ADPKD sind zwar vielversprechend, genügen aber noch nicht für eine allgemeine Empfehlung zur ketogenen Ernährung bei Zystennieren. Hierzu wird eine Studie mit einer größeren Zahl an Teilnehmern, z. B. 200 bis 300 (aktuell nur 63 Teilnehmer), über zwei bis drei Jahre (aktuell nur drei Monate) an mehreren Zentren notwendig sein. Diese wird momentan aktiv geplant, wobei insbesondere die Finanzierung einer solchen Studie gesichert werden muss. Eine derartige multizentrische Studie ist notwendig, um zu klären, ob auf längere Sicht wirklich ein positiver Effekt der ketogenen Ernährung erreicht wird und diese auch bei Zystennieren-Patienten über Jahre hinweg sicher ist. Unabhängig davon helfen uns die Daten aus KETO-ADPKD aber jetzt schon in der Beratung und Betreuung von Patienten, die sich aus eigener Motivation für eine Umstellung der Ernährung entscheiden.

  1. Cukoski, S., Lindemann, C. H., Arjune, S., Todorova, P., Brecht, T., Kühn, A., Oehm, S., Strubl, S., Becker, I., Kämmerer, U., Torres, J. A., Meyer, F., Schömig, T., Hokamp, N. G., Siedek, F., Gottschalk, I., Benzing, T., Schmidt, J., Antczak, P., Weimbs, T., Grundmann, F. & Müller, R.-U. Feasibility and impact of ketogenic dietary interventions in polycystic kidney disease: KETO-ADPKD—a randomized controlled trial. CR Med 0, (2023).
  2. Podrini, C., Cassina, L. & Boletta, A. Metabolic reprogramming and the role of mitochondria in polycystic kidney disease. Cellular Signalling 67, 109495 (2020).
  3. Torres, J. A., Kruger, S. L., Broderick, C., Amarlkhagva, T., Agrawal, S., Dodam, J. R., Mrug, M., Lyons, L. A. & Weimbs, T. Ketosis Ameliorates Renal Cyst Growth in Polycystic Kidney Disease. Cell Metab. (2019). doi:10.1016/j.cmet.2019.09.012
  4. Oehm, S., Steinke, K., Schmidt, J., Arjune, S., Todorova, P., Lindemann, C., Wöstmann, F., Meyer, F., Siedek, F., Weimbs, T., Müller, R.-U. & Grundmann, F. RESET-PKD: A pilot trial on short-term ketogenic interventions in autosomal dominant polycystic kidney disease. Nephrol Dial Transplant gfac311 (2022). doi:10.1093/ndt/gfac311

Weitere Informationsquellen
Pressemeldung
Wissenschaftsvideo
Veröffentlichung bei Cell Reports Medicine
Ausführliche Darstellung der Studiendaten in allgemeinverständlicher Sprache